22. Oktober 2008

Ich will kein Mensch mehr sein

Ich komme gerade von der Lesebühne Poetry Bites nach Hause, einer Lesebühne mit gewöhnlich zwei "Hauptacts" und einem offenen Mikrophon im Anschluss (was mir die Möglichkeit gab, noch einmal Wie sehr ich Dich mag vorzutragen). Statt zwei Hauptacts gab es heute nur einen, nämlich die dreiköpfige Gruppe Großraumdichten. Sehr sympathisch und sehr talentiert, klickt ruhig mal auf den Link.






Zurück? Großartig, oder?

In der Pause gab es dann einen kleinen Wettbewerb. Moderatorin Anke Fuchs verteilte Zettel und Stifte, dann durfte jeder ein Gedicht schreiben. Einzige Vorgabe: Es mussten zwei von Großraumdichten bestimmte Wörter darin auftauchen. Die drei Scherzkekse entschieden sich für "Wadenkrampf" und "Wäschestrumpf". Ich habe die 15 oder 20 Minuten voll ausgenutzt und statt dem vorgeschlagenen Vier- oder Sechszeiler das hier formuliert:

Ich will kein Mensch mehr sein (Erste Rohversion)

Vor circa zwanzig Jahren, da war ich noch ein Kind.
Da hab ich mir gewünscht, dass meine Eltern gar nicht meine Eltern sind.
Ich wollt' ein Alien sein, oder ein echter Schlumpf
mit Pilzhütte im Wald und nicht größer als ein Wäschestrumpf.
Ich war mir sicher, ich war mit dem Wunsch allein,
aber ich wollte ganz einfach kein Mensch mehr sein.

Menschen führten Kriege mit Artillerie und Grabenkampf.
Das fand ich so gut wie nachts um zwei 'nen Wadenkrampf.
Menschen töten Menschen schon seit Abel und Kain.
und ich? Ich wollt' kein Mensch mehr sein.

Mit zwölf oder dreizehn war ich immer noch hier,
ich war immer noch Mensch, kein Werwolf oder Vampir,
kein Mutant wie in den Comics, doch der Wunsch war noch mein:
Ich wollte nach wie vor kein Mensch mehr sein.

Heute bin ich achtundzwanzig und find's immer noch nicht klasse,
ein kleiner Teil zu sein der menschlichen Rasse.
Doch vielleicht find' ich Gleichgesinnte, dann bin ich nicht mehr allein,
und es wollen auch noch andere kein Mensch mehr sein.

An der Stelle wurde mir dann der Zettel mit den entsetzten Worten "NICHT SO VIEL!!!" weggenommen. Insgesamt wurden zwei Gedichte von Großraumdichten in die engere Wahl genommen, das Publikum durfte dann per Applaus bestimmen, welches von beiden mit einem kleinen Preis ausgezeichnet wurde. Meins war nicht dabei. Und es ist ja auch noch etwas krude, hier und da rumpelt es noch, und das Ende kommt auch ein bisschen plötzlich. Aber jetzt kann ich mir ja mehr als eine viertel Stunde Zeit nehmen. Mal sehen, vielleicht wird ja noch etwas brauchbares daraus.

2 Kommentare:

Anke Fuchs hat gesagt…

Lieber Michael,
"nicht so viel" hieß a) "Wir haben doch keine Zeit" und b) "Nicht so viel so klein auf dem kleinen Zettel, das kann ich doch nicht lesen" - ging ja aber doch.
Ich möchte an dieser Stelle bemerken, dass es sogar Zwischenapplaus gab! Hören wir den Text am 25.11. in der "Neu- bzw. Langfassung"? :-)
Danke für's Mitmachen!
Schöne Grüße,
Anke

Anonym hat gesagt…

Trauriges thema aber ich denke auch so =)