19. November 2009

United States of Utopia

United States of Utopia


Letzte Nacht träumte ich, es käme eine gute Fee zu mir. Sie sagte, ich hätte drei Wünsche frei. Und ich habe gesagt: „Ich wünsche mir Weisheit.“

Denn ich wollte die anderen beiden Wünsche sinnvoll nutzen. Und wie ich so darüber nachdenke, ist mir der zweite Wunsch klar: Bescheidenheit. Denn sonst würde mich der dritte Wunsch nie zufrieden stellen. Und als die Fee nach dem dritten Wunsch fragte, sagte ich:


Stell Dir eine Welt vor, in der alle Menschen plötzlich über Nacht vernünftig werden. Eine Welt, in der die Menschen allesamt die richtige Balance finden. Das richtige Maß. Die richtige Mischung.


Das richtige Maß Toleranz zum Beispiel. Stell Dir eine Welt vor, in der wir keinen Unterschied mehr machen zwischen Hautfarben, Kulturen, Herkunftsland oder Geschmack. Warum sollten wir denn auch einen Unterschied machen? Jeder Mensch ist anders, und das sollten wir feiern, denn die Alternative wäre doch scheiße-langweilig. Stell Dir eine Welt vor, in der wir endlich die Gemeinsamkeiten zwischen Religionen zelebrieren, statt uns weiterhin wegen der paar kleinen Unterschiede zu diskriminieren, zu hassen oder zu töten. Eine Welt, in der wir einsehen, dass Menschen nun einmal unterschiedliche sexuelle Vorlieben haben, die alle gleichermaßen berechtigt sind und auf die wir sowieso keinen Einfluss haben. Solange alle Beteiligten bewusst und aus freiem Willen tun, was sie tun, und solange keiner leidet (es sei denn, er will), gibt es doch keine Probleme. Das einzige, was Schwule und Lesben tatsächlich gefährden, ist ein weiteres Anwachsen der Überbevölkerung auf der Erde.


Stell Dir vor, dass wir alle eine einheitliche Sprache entwickeln, so einfach, dass sie jedem so natürlich wie die eigene Muttersprache vorkommt, und doch so flexibel, dass jeder Witz, jedes Wortspiel, jedes Gedicht funktioniert und so elegant wirkt wie in der Sprache, in der sie ursprünglich verfasst wurden. Wenn alle Menschen das richtige Maß Disziplin besäßen, würden bald alle diese Sprache sprechen. Wir bräuchten keine Grenzen mehr. Keine Kriege. Das Geld, das unsinnig in die Rüstungsindustrie, in die Spionage oder in die Politik gesteckt wird, könnte für Bildung, für Forschung und Entwicklung benutzt werden. Tatsächlich bräuchten wir kein Geld mehr, wenn alle Menschen vernünftig wären. Sie würden alle über genau die richtige Mischung aus Ehrgeiz und Bescheidenheit verfügen. Es wäre eine Welt, in der alle täten, was immer sie können, so gut sie es können. In der jeder jeden Beruf lernen kann, den er will. Und alle würden bekommen, was sie brauchen, alles, was sie wollen, aber es wäre genug für alle da.


Wenn alle das gleiche Maß an Wissensdurst hätten, könnten wir die Erfindungen machen, die wirklich benötigt werden. Wir würden als ein Volk zusammen den Weltraum erkunden. Wir würden lernen, andere Planeten zu terraformen und unseren eigenen zu reparieren. Wir würden keine Atomkraftwerke mehr benötigen. Radioaktive Abfälle würden wie der restliche Müll gefahrlos auf molekularer Ebene auseinandergenommen, um wie Legosteine zu neuen Rohstoffen zusammengesetzt zu werden. Zu Nahrung. Zu frischem Wasser.


Wir würden Hungersnöte beenden. Alle Krankheiten ausrotten. Wir könnten Aids heilen. Parkinson. ADS. Einen Impfstoff schaffen gegen Krebs. Alzheimer. Schluckauf. Wir könnten eine neue, genetisch veränderte Form von Karies schaffen. Kariesbakterien, die sich von Essensresten, Zahnbelag und herkömmlichen Kariesbakterien ernähren, deren Ausscheidungen aber nicht wie bisher den Zahnschmelz angreifen, sondern stärken – und zugleich minzige Atemfrische produzieren. Oder Erdbeer.

Frauen würden nur dann schwanger werden, wenn sowohl sie als auch der potentielle Vater es aktiv wollen. Und es würde nicht mehr wehtun.

Stell Dir...“


Und die Fee sagte: „Okay, okay, ich kann mir das alles vorstellen. Also gut. Ist das Dein letzter Wunsch? Dass die Welt über Nacht so wird?“


Und ich sagte:


Nein. Ich wünsche mir nicht, dass wir über Nacht so werden. Denn dann wüssten wir das alles gar nicht zu schätzen. Ich wünsche mir nicht, dass wir diesen Zustand jemals wirklich zu 100% erreichen. Denn damit kämen wir gar nicht klar. Nein. Ich wünsche mir, dass alle Menschen gemeinsam auf diese Utopie hinarbeiten. Denn nur so können wir jemals glücklich werden.“

1 Kommentar:

Eryndis hat gesagt…

Hättest Dir mal lieber nicht Bescheidenheit mit Nummer Zwo gewünscht ^^